UPDATE Jan 2020
Climate emergency: World
'may have crossed tipping points’
Warning of ‘existential threat to civilisation’ as impacts lead to cascade
of unstoppable events 27.11.19
Seit Beginn des Industriezeitalters ist
die Durchschnittstemperatur der unteren Erdatmosphäre um
1
Grad Celsius gestiegen - und die Erwärmung geht weiter.
In den nächsten beiden Jahrzehnten müssen
wir mit einer weiteren Temperaturzunahme um jeweils 0,2
Grad rechnen. Selbst wenn wir die Treibhausgas-Emissionen
ab sofort konstant hielten, wäre es immer noch ein Zehntel Grad
pro Jahrzehnt.
Zu befürchten ist, dass die globale Erwärmung schon bald Schwellenwerte
überschreitet: Tipping Points oder Kipppunkte,
wie die Experten sagen. Das Klima könnte schlagartig einen Schalter
umlegen und in einen anderen Zustand kippen. Unwiderruflich.
Auch wenn die Auswirkungen
zum Teil erst in vielen Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten voll
durchschlagen:
Nur in diesem Jahrhundert kann das Auslösen verhindert werden.
Der Arktische
Ozean
o. 1979 u. 2005
Der Arktische Ozean steht
ganz oben auf der Liste dieser Kippelemente.
Im September 2007 war die Meereis-Ausdehnung im hohen Norden so
schwach wie nie. Das Nationale Schnee- und Eisdaten-Zentrum an
der Universität von Colorado in den USA meldet einen Flächenverlust
von 40 Prozent gegenüber dem Mittel der 80er- und 90er-Jahre.
Zugleich wird das Eis immer dünner. Nach Analysen von Polarforschern
der Universität von Washington in Seattle schrumpft es um 60 Zentimeter
pro Jahrzehnt zusammen; 2007 war es im Schnitt nur noch 2,60 Meter
dick.
Wenn das arktische Meereis immer mehr Masse verliert, ist irgendwann
zu wenig da, um es über den immer milder werdenden Sommer zu schaffen.
Das schneeweiße Meereis reflektiert einfallendes
Sonnenlicht wirkungsvoll. Wenn es sich zurückzieht, kommt dunkler
Ozean zum Vorschein, der die Strahlung nicht zurückwirft, sondern
absorbiert.
Die Albedo
ist ein Maß für das Rückstrahlvermögen von
nicht selbst leuchtenden Oberflächen. Sie wird bestimmt durch
den Quotienten aus reflektierter zu einfallender Lichtmenge und
liegt zwischen 0 und 1. Schnee und Eis haben eine hohe Albedo
von bis zu 0,9 (= Rückstrahlung der Energie von bis zu 90%).
Die Albedo von Wasser beträgt demgegenüber nur ca. 0,06 -
d.h. 94% der einfallenden Sonnenenergie wird absorbiert, nur 6%
wird reflektiert (WP).
Je mehr Eisfläche verloren geht, desto schneller
erwärmt sich die Erde - auch unabhängig vom CO2
Gehalt der Atmosphäre. Ein Teufelskreislauf wird in Gang
gesetzt.
In der Arktis steigt die Temperatur ungefähr doppelt so stark
an wie global gemittelt. Im Moment nimmt die Lufttemperatur in
der Arktis um 1,1 Grad Celsius pro Jahrzehnt
zu. Allein 0,9 Grad davon gehen auf das Konto des Meereisrückgangs.
Beim arktischen Seeeis ist das Kippelement möglicherweise bereits
ausgelöst worden. Sollte dies noch nicht der Fall sein, befindet
sich die Erde wahrscheinlich sehr in der Nähe des Punktes, bei
dem wir eine Erwärmung erreicht haben, bei dem das arktische Seeeis
für den Sommer unrettbar verloren ist.
Über
Jahrtausende hat sich Schnee auf Grönland zu einem Eispanzer
aufgetürmt, der mehr als 3000 Meter in
die Höhe ragt. Eine solche Kontinental-Eismasse
stabilisiert sich selber. An der Oberfläche ist es aufgrund der
Höhe sehr kalt. Die Atmosphäre wird nach oben hin pro Kilometer
etwa sechs bis sieben Grad kälter. Damit erzeugt
sich das Eis seine eigene Hochgebirgslage selber, die dann
so kalt ist, dass das Eis nicht abtauen kann.
Seit rund einer Million Jahre, seit dem Ende des warmen Pliozäns,
trägt Grönland vermutlich seinen Eispanzer. Die Kältekonservierung
funktioniert bis heute. Doch jetzt stellt der Klimawandel seine
Fortdauer in Frage.
Wenn es jetzt wärmer wird und ein kritischer Punkt überschritten
wird, und das Eis dadurch dünner wird, dann gerät die Oberfläche
allmählich in immer wärmere Luftschichten. Dies wird dann zum
Selbstläufer. Das Eis wird dann allmählich vollständig verschwinden.
Der letzte Weltklimabericht des IPCC besagt, dass ab knapp
zwei Grad globaler Erwärmung
das Risiko erheblich wird, dass wir den
grönländischen Eispanzer destabilisieren. - Irgendwo zwischen
1,9 und 4,2 Grad Erwärmung liegt der kritische Punkt.
Wenn das Abschmelzen einmal begonnen hat, dann ist der Prozess
nicht mehr umkehrbar. Die Auswirkungen wären ein Anstieg
des Meeresspiegels um sieben Meter - sämtliche
Küstenstädte: Venedig, Amsterdam, London, Lagos würden in
einigen hundert Jahren verschwinden.
Der Punkt aber ist: Nur in diesem Jahrhundert kann
es verhindert werden.
Der
tropische Regenwald
Noch 1950 dehnte sich der tropische Regenwald über schätzungsweise
16 bis 17 Millionen Quadratkilometer
aus. Das entsprach rund elf Prozent der gesamten Landoberfläche
der Erde. Heute sind es nicht einmal mehr sechs
Millionen Quadratkilometer. Unverändert wird Regenwald
gerodet - in Südamerika, in Afrika, in Asien. Die Welternährungsorganisation
FAO beziffert den jährlichen Verlust noch
immer auf fast 170.000 Quadratkilometer. Das entspricht der vierfachen
Fläche der Schweiz.
Was der Mensch noch nicht durch Kahlschlag vernichtet hat, das
könnte bald dem Klimawandel zum Opfer fallen. Auch der tropische
Regenwald im Amazonas-Gebiet steht auf der Kippe: Selbst
ein Ökosystem wie der Amazonas-Wald hat einen solchen kritischen
Punkt. Wenn dieser überstiegen wird, ist es zu trocken
für diesen Wald. Er kann sich auf Dauer in der Form nicht halten.
Dieses Risiko besteht, wenn sich Niederschlagsgürtel im Zuge der
globalen Erwärmung verlagern. Tatsächlich deuten einige Klimamodelle
solche markanten Veränderungen der atmosphärischen Zirkulation
an. Die innertropische Konvergenzzone, ein wichtiges Regen bringendes
Windsystem für das Amazonas-Becken, wird sich in seiner räumlichen
Positionierung verschieben. Die Frage ist: Wieviel Trockenheit
verträgt ein Regenwald? Es ist möglich, dass diese Austrocknung
so stark ist, dass im amazonischen Regenwald flächig Wald zurückgehen
könnte, die Biomasse abnimmt und der heutige Primärwald ins Wanken
kommt.
Der Klima-Kippschalter würde dann von
Regenwald auf Savanne umgelegt, auf anspruchsloseres Grasland.
Anhaltende Brandrodungen durch den Menschen könnten den Vegetationswandel
zusätzlich befördern, wenn Feuer auf die Grassteppe übergreifen
und diese Savanne sich dann selber stabilisiert. Weil die Feuer
dann häufiger sind und das Wiederaufkommen des vorhergehenden
Waldes selbst dann nicht erlauben würden, wenn die Trockenheit
zurückginge.
Mit dem tropischen Regenwald gerät nicht nur ein einzigartiges,
besonders artenreiches Ökosystem in Gefahr. Wälder sind auch ein
wichtiger Faktor im Klimageschehen. Ihre Bäume leben von Kohlendioxid
und binden große Mengen des Treibhausgases im Holz.
Das gilt sogar für die heutigen CO2-Emissionen durch menschliche
Aktivitäten: Wälder schlucken einen beträchtlichen Teil davon.
Dadurch kühlen sie das Klima.
Diese Thermostat-Wirkung droht nun verlorenzugehen
- am Amazonas, am Kongo, in Indonesien und - was die Lage zusätzlich
verschärft - auch im größten zusammenhängenden Waldgürtel der
Erde, dem boreale Nadelwald im Norden Kanadas, Skandinaviens und
Sibiriens.
Aufgrund von Einschlag und aufgrund sich verändernden
klimatischen Bedingungen. (Mehr)
Das Auftauen des
Permafrostbodens und die Freisetzung von CO2 und Methan
Die Permafrost-Regionen der Erde nehmen mindestens 25 Prozent
der Erdoberfläche ein. Vor allem die Regionen in Sibirien, aber
auch in Kanada und Alaska sind durch diese gefrorenen Landschaften
geprägt. In Zentralsibirien kann der Boden bis in eine Tiefe
von über 1.500 Meter gefroren sein. Im Zuge der globalen Erwärmung
wurde in den letzten Jahrzehnten eine Nordwärtswanderung der
Permafrostgrenze in Nordamerika und in Eurasien beobachtet.
Langfristig wird ein Auftauen in noch wesentlich größerem Ausmaß
befürchtet, da die Klimamodelle eine weit überdurchschnittliche
Erwärmung in der Arktis voraussagen.
Die große Gefahr besteht darin, dass es zu einer positiven
Rückkopplung kommt, indem die in dem bisher gefrorenen
Böden gebundenen Gase CO2 und Methan
in großen Mengen bei Erwärmung an die Atmosphäre
abgegeben würden. - Gase, die dann ihrerseits die Erwärmung
beschleunigen.
Die Konzentration von Methan (CH4) in der Atmosphäre beträgt
gegenwärtig nur ca. 2 ppm (parts per million). Das bedeutet
eine Gesamtmenge von ca. 4 Gigatonnen
Kohlenstoff (Gt C).
Das Treibhauspotenzial von Methan ist jedoch
25 mal so groß ist wie das von CO2.
Die im Permafrost der Nordhalbkugel gespeicherte
Menge an Methan wird
auf 7,5 bis 400 Gt geschätzt.
Als bedeutende Methanquelle der Zukunft wird vor allem das Auftauen
von Permafrost in den hohen nördlichen Breiten eingeschätzt.
Der Klimawandel könnte auch eine noch wesentlich größere Methanquelle
angreifen, nämlich die Methanhydrate in Ozeansedimenten.
Bei den Methanhydraten handelt es sich um unter hohem Druck
und bei Temperaturen um den Gefrierpunkt entstandene Verbindungen
aus Wasser und Methan, die an den Kontinentalhängen der Ozeanböden
in Tiefen von ca. 400-1000 m liegen. Die gegenwärtig dort eingebundene
Methanmenge wird auf 500 bis 10.000 Gt C
geschätzt. Auch eine relativ geringe Freisetzung hätte bei einem
atmosphärischen Gehalt an Methan von etwa 4 Gt C in der Atmosphäre
eine erhebliche Wirkung.
UPDATE Permafrost
thaw’s runaway effect on carbon release, May 14, 2015
The vast amounts of carbon now preserved in the frozen soils
could one day all get back into the atmosphere. Since the Arctic
is the fastest-warming place on the planet, such a release of
greenhouse gas could only accelerate global warming and precipitate
catastrophic climate change. That the circumpolar regions of
the northern hemisphere hold vast amounts of deep-frozen carbon
is not in question. The latest estimate is 17
billion tonnes, which is twice
the level of carbon dioxide in the atmosphere and perhaps
10 times the quantity
put into the atmosphere by burning fossil
fuels since the start of the Industrial Revolution.
...
At he moment, permafrost carbon is not a big factor in projections
by the Intergovernmental Panel on Climate Change.
Dr Spencer says: “When you have a huge frozen store of carbon
and it’s thawing, we have some big questions. The primary question
is, when it thaws, what happens to it? “Our research shows that
this ancient carbon is rapidly utilised by microbes and transferred
to the atmosphere, leading to further warming in the region,
and therefore more thawing. So we get into a runaway effect.”
1.300 und 1.600 Gigatonnen Kohlenstoff
in Form von Kohlenstoffdioxid (CO2) und Methan (CH4) enthält.
Zum Vergleich: Die gesamte Atmosphäre
enthält derzeit rund 800 Gigatonnen Kohlenstoff. Der
Kohlenstoff im Permafrost stammt von Tier- und Pflanzenresten,
die seit Jahrtausenden in der Erde lagern.
Die Eisströme der Antarktis
Lange Zeit hielten Experten die lebensfeindliche Tiefkühlkammer
jenseits des 60. südlichen Breitengrades für unangreifbar. Doch
wie es scheint, kann sich auch der sechste Kontinent dem Klimawandel
nicht entziehen. Ein Schelfeis nach dem anderen bricht auseinander.
Gletscher haben ihrer Fließgeschwindigkeit stark beschleunigt.
Die Westantarktis war in den Warmphasen während des Pliozäns,
vor ein bis fünf Millionen Jahren, gleich mehrfach fast oder ganz
gletscherfrei. Diese Erkenntnis ist wichtig, da die Erde wieder
auf Bedingungen zusteuert, wie sie damals herrschten. Im Pliozän
war es lediglich zwei bis drei Grad wärmer
als heute und der Gehalt von Kohlendioxid in der Atmosphäre nur
unwesentlich höher.
Würde nur das
Eis der Westantarktis abschmelzen, so hätte auch das
einen weiteren Anstieg des Meeresspiegels um sieben
Meter zur Folge.
Das Versiegen des Golfstroms
Die Meereszirkulation im Nordatlantik könnte bei steigenden Temperaturen
tatsächlich ins Stocken geraten. Auch sie ist ein Kippelement
im Klimasystem. Wobei sich die Experten nicht so sehr um den Golfstrom
sorgen, sondern um seinen nördlichen, Richtung Europa schwenkenden
Ausläufer: den Nordatlantikstrom. Der Golfstrom
ist der Teil, der an der nordamerikanischen Küste entlang fließt.
Der ist windgetrieben in diesem Bereich, das heißt da haben wir
auch keine Sorge, dass der abbricht. Wenn er aber die amerikanische
Küste verlässt, wird er zum Nordatlantikstrom. Und dann wird er
vulnerabel, dann ist er plötzlich dichtegetrieben. Wenn
man diesen Dichteunterschied verändert, dann kann auch die Zirkulation
abbrechen.
Je weiter die warme Strömung nach Norden vorstößt, desto kälter
wird es. Das Oberflächenwasser kühlt ab, verdichtet sich immer
stärker und sinkt schließlich ab, in der Meeresgegend um Island
herum. Diese sogenannte thermohaline Zirkulation
geriete ins Stocken, wenn man den Nordatlantikstrom verdünnte
- durch den Eintrag von Süßwasser.
Genau das ist in einem wärmeren Treibhaus zu erwarten. Weil der
Niederschlag über dem Nordatlantik dann zunimmt und immer mehr
Schmelzwasser von Grönlands Gletschern in den Ozean fließt. Nach
den Erkenntnissen der Paläoklimatologen kam die Zirkulation während
der letzten Eiszeit wiederholt zum Stillstand. Mit gravierenden
Folgen auch für andere Komponenten des Klimasystems. "Die Arktis,
das arktische Meereis, hängt damit zusammen. Grönland hängt damit
zusammen. Aber auch der gesamte Regengürtel in den Tropen über
dem Atlantik. Es wurde sogar schon gezeigt, dass der indische
Monsun mit der thermohalinen Zirkulation verbunden ist über atmosphärische
Strömungen.
Wir haben heute die Situation, dass im Nordatlantik der Meeresspiegel
besonders tief ist, weil im Nordatlantik das Tiefenwasser absinkt.
Man kann es mit dem Badewannenabfluss vergleichen. Da neigt sich
die Wasseroberfläche ebenso bergab in Richtung Abfluss. Wenn man
den Nordatlantikstrom zum Erliegen bringt, kommt der Meeresspiegel
im Nordatlantik bis zu einem Meter hoch. Und er sinkt dafür
hauptsächlich im Südpolarmeer ab. Dort nützt es leider keinem
Menschen, weil es fernab von bewohnten Küsten passiert.
"Es wäre jetzt wichtig, das Wissen bezüglich der Kipppunkte
deutlich zu verbessern und vor allem zu verstehen, wie viel
Spielraum eigentlich bleibt, bis diese Gefahr erheblich wird.
Wenn man solche Zusammenhänge dann noch besser versteht
und bestimmte Schwellen noch nicht überschritten sind, könnte
es dennoch zu spät sein, die Politik noch umzusteuern.
Eine Eigenschaft von solchen Kippelementen ist, dass die Erde
danach einfach nicht mehr die Erde ist, wie man sie vorher
kannte. Etwas Großes hat sich dann verändert."
Wolfgang
Lucht, Leiter des Forschungsbereiches "Klimawirkungen"
am PIK, dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung